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Vogeltod: Nicht nur Windräder

An den Rotoren von Windkraftanlagen können Vögel und Fledermäuse sterben. Darüber muss man reden – aber genauso über die viel größeren Gefahren: Glasscheiben, Freileitungen, Autos und Katzen sowie Lebensraumzerstörung und Klimawandel. Einfache Lösungen gibt es nicht. 

Ein Standpunkt von Axel Mayer (Geschäftsführer BUND-Regionalverband Südlicher Oberrhein und Kreisrat im Landkreis Emmendingen)

Windräder töten Vögel und Fledermäuse. Das ist eine Tatsache, die in der Öffentlichkeit und den Medien heftig diskutiert wird. Und in einer Zeit, in der so manche Vogelart gefährdet ist, ist jeder getötete Vogel – besonders von den bedrohten Arten – einer zu viel.

Trotzdem ist es erstaunlich, dass über die mehr als 18 Millionen Vögel, die jedes Jahr in Deutschland an Glas und Glasscheiben sterben, überhaupt nicht öffentlich diskutiert wird. Auch zu den noch massiveren Schäden durch den sogenannten Vogelschlag im Straßenverkehr und entlang von Bahn- und Hochspannungstrassen gibt es keine Debatte, ja nicht einmal zur Bedrohung der Vogelwelt durch Agrargifte und Naturzerstörung.

Warum wird die kleinere Bedrohung wahrgenommen und die andere nicht einmal erwähnt? Wer hat ein Interesse daran, dass die Hauptursachen des Artenschwundes, nämlich der Verlust von Naturlandschaften und zunehmend auch der Klimawandel, nicht zum Thema werden?

Zugegeben, der Themenkomplex Windräder und Vögel (sowie Fledermäuse) ist schwierig und es gibt keine einfachen Antworten. Dennoch sollte sich auch diese Debatte an Fakten orientieren.

Vogelschlag an Windrädern teilweise vermeidbar

„Irgendwo zwischen 10.000 und 100.000 pro Jahr“ liegt die tatsächliche Zahl der durch Windräder getöteten Vögel, schätzt Hermann Hötker vom Michael-Otto-Institut des Naturschutzbundes (Nabu). Das entspräche einer Quote von einem bis fünf Vögeln pro Windkraftanlage und Jahr.

In der Progress-Studie vom Juni 2016 wurden knapp 570 Windkraftanlagen in 55 Windparks im norddeutschen Tiefland jeweils über zwölf Wochen einmal wöchentlich nach Totfunden von Vögeln abgesucht. Es wurden insgesamt 291 getötete Vögel gefunden, die zu 57 Arten gehören. Die fünf am häufigsten gefundenen Vogelarten sind die Ringeltaube (41 Individuen), die Stockente (39), der Mäusebussard (25), die Lachmöwe (18) und der Star (15). Der Rotmilan liegt in der Studie auf Platz zwölf mit fünf Totfunden.

Die Gefahren der Windenergie für die Vogelwelt, speziell für die bedrohten Arten, können durch eine gute Standortwahl und Vermeidungsmaßnahmen stark minimiert werden. Das bestätigen zahlreiche Studien. Die Auswertung von 127 Einzelstudien aus zehn Ländern zeigt, dass durch die Berücksichtigung von seltenen und windenergiesensiblen Tieren bei der Planung und Errichtung von Windenergieanlagen negative Auswirkungen vermieden werden können. Zum Beispiel kann das bei Fledermäusen durch das Abschalten der Anlage zu Zeiten erhöhter Fledermausaktivität geschehen. Bei vielen Vogelarten, so etwa beim Rotmilan, kann ein ausreichender Abstand zwischen Horst und Windenergieanlage Konflikte vermeiden.

Für eine gute Standortwahl und für Vermeidungsmaßnahmen zu sorgen ist eine wichtige Aufgabe für die Naturschutzverbände bei allen Planungsvorhaben. Dennoch wird es weiterhin auch Verluste geben.

Glas tötet unglaublich viele Vögel

Über die 100.000 oder 200.000 jährlich von Windrädern getöteten Vögel wird viel diskutiert, doch wie sind die Zahlen bei Glasscheiben, Freileitungen, Straßen, Bahnstrecken und beim Fischfang?

„An Glasscheiben sterben europaweit nach Schätzungen 240.000 Vögel pro Tag, im Jahr wären das knapp 90 Millionen Tiere“ schreibt das Bundesamt für Naturschutz und erläutert das einem Beispiel: „Bei einer einjährigen Untersuchung am Bonner Post-Tower kollidierten etwa 1.000 Vögel allein mit diesem Gebäude, 200 davon starben dabei sofort, einige Hundert weitere waren Todeskandidaten durch Desorientierung oder Verletzungen.“

„Glas tötet unspezifisch, also potenziell alle Vogelarten, denn es wird in fast jeder Flughöhe verbaut“, sagt Judith Förster, Leiterin des Projekts „Vermeidung von Vogelschlag an Glas“ beim Umweltverband BUND in Nordrhein-Westfalen. „Es tötet Vögel unabhängig von Art, Alter, Geschlecht und Uhrzeit.“ Die promovierte Biologin hat nicht nur entsprechende Studien aus den USA ausgewertet, sie steht auch im Kontakt mit vielen Vogelstationen in Deutschland. Dorthin werden regelmäßig Vögel ganz verschiedener Arten gebracht, die Opfer von Glas wurden. „Greifvögel, Spechte – sogar sehr oft –, Singvögel, Waldschnepfen; Zugvögel, standorttreue Vögel … einfach alles, bis hin zu einem Storch, bei dem die Kollision sogar live beobachtet wurde.“

Freileitungen tragisch für Störche

„Für den Weißstorch stellen Stromschlag und Anflüge an Freileitungen nach wie vor die häufigste Todesursache dar“, heißt es beim Bundesamt für Naturschutz. Beim Uhu gehen laut der Behörde 50 Prozent der bekannt gewordenen Todesfälle auf Kollisionen mit Verkehr und Freileitungen zurück. „Besonders gefährdet sind Jungtiere, von denen in der Eifel jährlich schätzungsweise 25 Prozent durch Straßentod verenden.“

Fischfangmethoden auch für Vögel tödlich

Das Bundesamt für Naturschutz nennt noch eine weitere Gefahrenquelle: „Die industriell betriebene Fischerei bedroht nicht nur die Bestände vieler Fischarten, sondern auch die zahlreicher anderer Tierarten, darunter Seevögel.“ In der Nord-­ und Ostsee führe vor allem der Einsatz von Stellnetzen und Reusen zu Verlusten unter den Seevögeln. „Jährlich ertrinken in beiden Gewässern insgesamt etwa 100.000 bis 200.000 Seevögel in Stellnetzen, davon etwa 80 Prozent in der Ostsee“, so das Bundesamt.

Keine Insekten – keine Vögel

Das weltweit beobachtete Insektensterben nimmt auch Schwalben, Mauerseglern und Fledermäusen die Nahrungsgrundlage und führt zu einem massiven Rückgang der Populationen. Wenn die Zahl der Insekten in manchen Gebieten Deutschlands schon um bis zu 80 Prozent abgenommen hat, dann hat das natürlich auch Auswirkungen auf die Vogelwelt. Vögel wie Schwalben oder Mauersegler leben von Insekten. Für eine Vielzahl von Kleinvögeln sind Insekten in der Aufzuchtphase besonders wichtig.

Wenn ein wichtiger Teil der Nahrungsgrundlage wegbricht, dann hat das extreme Auswirkungen auf alle Arten in der Nahrungskette. Die Lobbyisten der Agrargift-Industrie haben ein massives (und gut organisiertes) Interesse daran, dass dies nicht zum Thema wird.

Züge: Je schneller, desto tödlicher

Sieben verschieden angelegte Untersuchungen an deutschen und anderen europäischen Bahnstrecken, die 70 Tage bis mehrere Jahre dauerten, zeigen laut Eisenbahn-Bundesamt, dass pro 100 Streckenkilometer jährlich 300 bis 6.100 Vögel durch Vogelschlag sterben. Auf Strecken, die nur mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 Kilometern pro Stunde befahren werden, lag dieser Wert bei maximal 2.000, an Strecken mit über 200 Stundenkilometern Maximaltempo über 38.000. Die Aussagen zum Vogelschlag an Zügen lassen sich auch auf Fledermäuse erweitern.

Als Ursache hoher Vogelschlagfrequenz an Zügen wird gesehen, dass Züge mit Stromabnehmer acht Meter hoch sind und damit doppelt so hoch wie Kfz auf Autobahnen. Das Eisenbahn-Bundesamt schlussfolgert: „Auf den Streckenkilometer bezogen ist die Mortalitätsrate im Schienenverkehr offenbar höher als im Straßenverkehr. Im Vergleich zur Gesamtindividuenzahl sind Eulen und Greifvögel überdurchschnittlich betroffen. Besonders gefährdete Arten sind Bussard, Schleiereule, Steinkauz und Seeadler.“

Blackbox Autobahn

Wer mit dem Auto unterwegs sein muss, der sieht links und rechts der Autobahn erschreckend viele tote Vögel, darunter viele große Greifvögel. Erstaunlicherweise lassen sich zu diesem wichtigen Thema keine konkreten, belastbaren Aussagen und Zahlen finden. (Wenn Sie solche Studien kennen, teilen Sie es mir gern mit.)

 

Vogeljäger: Katzen, Marder, Menschen

Katzen und Vögel sind ein höchst emotionales Thema, wie Millionen Katzenvideos im Internetportal Youtube zeigen. Die über acht Millionen Katzen in Deutschland töten viele Millionen Vögel. Studien in den USA kamen zum Ergebnis, dass dort jedes Jahr zwischen 1,4 und 3,7 Milliarden Vögel und zwischen 6,9 und 20,7 Milliarden kleine Säugetiere von Katzen getötet werden. Diese Zahlen lassen sich nicht so einfach auf Deutschland übertragen und viele Fachleute gehen bei uns von geringeren Zahlen aus. Doch jährlich fünf bis weit über 20 Vögel töten viele „Hauskatzen mit Ausgang“, und diese Zahlen sind sehr niedrig angesetzt.

Das größte Problem für Natur und Vögel ist hier die zunehmende Zahl von verwilderten Hauskatzen. Allein in Deutschland gibt es schätzungsweise zwei Millionen verwilderte Katzen. Wenn es gelänge, diesen Bestand zu reduzieren, könnte das Problem auf ein erträgliches Maß verringert werden. Eine Katze fängt zwar keinen Rotmilan, die extrem große Zahl an getöteten Kleinvögeln ist dennoch ein massives Problem. Mit den Ausgleichszahlungen aus dem Windradbau sollten auch Kastrationskampagnen für verwilderte Katzen finanziert werden.

Auch Eichhörnchen, Marder und Rabenvögel gehen an die Gelege von Singvögeln. Wenn zur Brutzeit Eier und Jungvögel erreichbar sind, nehmen sie auch diese Nahrungsquelle wahr. Doch so hart es klingt: Das ist Natur. Es ist erstaunlich, dass in diesem Zusammenhang immer nur das „Problem“ der Rabenvögel heftig diskutiert wird und Hauskatzen, verwilderte Katzen, Eichhörnchen und Marder in der öffentlichen Debatte fast keine Rolle spielen. Das hat möglicherweise auch mit alten Ängsten vor den „schwarzen Vögeln“ zu tun.

Und auch menschliche Jäger haben es auf Vögel abgesehen. „Jedes Jahr fallen in den Staaten rund um das Mittelmeer mindestens 25 Millionen Zugvögel der meist illegalen Jagd zum Opfer“, schreibt die Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft auf ihrer Internetseite.

Stromkonzerne geben sich nicht geschlagen

Die größten Artenverluste wird allerdings der Klimawandel bringen. Jede sechste Art ist vom Aussterben bedroht, falls keine zusätzlichen Anstrengungen gegen den Klimawandel unternommen werden, haben Wissenschaftler in einer großen Studie für das Magazin Science errechnet. Windräder sind eine wirksame Waffe gegen den Klimawandel, auch weil sie sich nach nur einem halben Jahr energetisch amortisiert haben. Warum also findet die öffentliche Diskussion um die Vogel- und Artengefährdung nur in der Nische der Windenergiedebatte statt?

Jedes privat gebaute Windrad kleiner Betreiber ist eine Konkurrenz zu den Kohle- und Atomkraftwerken und den Windparks der Großkonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall. Das Energieerzeugungsmonopol der Großen wird von den Kleinen gebrochen. Es gibt eine mächtige Lobby, die weiter auf Kohle setzt und sogar neue Atomkraftwerke bauen will.

Atom- und Kohlelobbyisten ziehen zusammen mit Klimawandelleugnern, großen Energieversorgungsunternehmen und einigen großen industriellen Stromverbrauchern im Hintergrund schon lange an den Strippen des Widerstandes gegen die Windenergienutzung. Sogar US-Präsident Donald Trump, ein Öl- und Kohlelobbyist, schimpft auf deutsche Windräder: „Sie töten alle Vögel.“ Der Lobby der Kohle-, Öl- und Atomindustrie sind Windräder ein Dorn im Auge.

Ein Nachteil der Windkraftnutzung und ein Hauptansatzpunkt für den Widerstand ist gerade die dezentrale Verteilung und gute Sichtbarkeit der Anlagen. Kohlekraftwerke und Atomkraftwerke gibt es einfach nicht so viele – und Radioaktivität und Kohlendioxid haben einen großen „Vorteil“: Sie sind unsichtbar.

Einfache Antworten gibt es nicht

Für das komplexe Thema Windenergie und Vogelschlag gibt es keine einfachen Lösungen. Wie bei allen Themen, wo es keine einfachen Wahrheiten gibt, braucht es deshalb kluge Analysen und eine abwägende, differenzierte Debatte.

Bei den Freileitungen hat der Druck der Umweltbewegung zu Verbesserungen für die Vogelwelt geführt. Auch die Forderung des BUND nach einer Trassenbündelung für Hochspannungsleitungen nützt Vögeln und Landschaftsschutz. Hier sollte die Umweltbewegung weitermachen. Eine verwilderte Hauskatze tötet mehr Vögel als ein Windpark – eine Sterilisationskampagne für diese Tiere brächte schnelle Erfolge für den Vogelschutz. Wir brauchen die Windenergie im Kampf gegen den globalen Klimawandel, trotzdem müssen die Umweltverbände einige wenige Standorte aus Gründen des Artenschutzes ablehnen.

Die im Internet sehr hasserfüllt geführte Debatte zeigt, dass es nichts bringt, in den großen, bunten Topf der Ökologie hineinzugreifen, sich eine einzelne Art oder ein einzelnes Problem herauszuholen und sämtliche anderen Aspekte unter den Teppich zu kehren. Zur Ökologie gehört der tote Vogel unterm Windrad. Ökologie sind aber auch die vielen toten Vögel unter den Glasscheiben der Hochhäuser, entlang von Autobahnen, Hochspannungsleitungen und Bahntrassen. Zur Ökologie gehören die Gefahren der Atomkraft und die Gefährdung der Arten durch Agrargifte, Naturzerstörung und den menschengemachten Klimawandel.

Die einfachen, „nur guten“ Lösungen gibt es leider nicht.

Axel Mayer engagiert sich seit den 1970er Jahren in Bürgerinitiativen. Er ist Geschäftsführer beim BUND-Regionalverband Südlicher Oberrhein und Kreisrat im Landkreis Emmendingen

RegioTV berichtet über Windparkplanungen

An der Informationsveranstaltung vom 20. Juni war auch ein Kamerateam von RegioTV, dem regionalen Fernsehsender der Landkreise Ravensburg, Sigmaringen, Konstanz, Tuttlingen, Schwarzwald-Baar und Rottweil mit über 1 Mio. potenzieller Zuschauer.

In der Sendung „Journal“ vom 21. Juni wurde u.a. auch über die aktuellen Planungen zum Windpark Bingen ausführlich informiert. Hierzu gab es auch Interviews mit den zentralen Akteuren.

Die Sendung ist in der Mediathek von RegioTV unter diesem Link abrufbar.

Ergebnisse zu Schall- und Schattenemissionen liegen vor

Der Investor Enercon hat am vergangenen Dienstag, 20.06.17, die aktuellen Ergebnisse zu den Schall- und Schattengutachten für den geplanten Windpark in Bingen vorgestellt. Insgesamt sind acht Windenergieanlagen geplant, es dürfen aber – lt. Vertrag mit der Gemeinde – lediglich sechs Windenergieanlagen gebaut werden. Die Erweiterung auf acht Anlagen durch Enercon dient dem Investor als Sicherheit, sollte die Genehmigungsbehörde im Verfahren eine oder zwei Anlagen streichen könnten diese durch die zusätzlich geplanten Anlagen ersetzt werden. Im Zuge der Genehmigungsplanung wurden nun auch die Gutachten zu den Schall- und Schatten-Emissionen vorgelegt. Hierbei muss der Investor von der Maximal-Planung mit acht Windenergieanlagen ausgehen und die Auswirkungen darstellen, die mit den acht geplanten Anlagen entstehen. Außerdem sind die maximalen Emissionswerte jeweils anzusetzen. Im Falle der Schall-Emissionen heißt das: volle Windstärke, alle Anlagen laufen auf Hochtouren und es wird angenommen, dass keine anderen Hindernisse (wie Wald o.Ä.) die Schallausbreitung hindern. Gleichzeitig wird bei der Berechnung davon ausgegangen, dass der Wind aus allen Richtungen gleichzeitig wehen würde, um die maximale Schallausbreitung zu berechnen. Falsche Schallberechnungen bringen dem Investor nichts, denn wenn sich im späteren Betrieb durch konkrete Vor-Ort-Messungen herausstellen sollte, dass die Anlagen lauter sind, als es die Grenzwerte zulassen, müssen die Anlagen gedrosselt oder möglicherweise zeitweise ganz abgestellt werden. So ist es auch beim Schattenwurf: auch hier wird in den Berechnungen angenommen, dass die Sonne 365 Tage lang, von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang durchgängig scheint und der Wind ständig weht und sich deshalb die Rotoren auch drehen.

Die Ergebnisse sind nun auf unserer Homepage unter diesem Link einzusehen.

Infoveranstaltung Windpark gut besucht

Infoveranstaltung Windpark gut besucht

Rund 120 interessierte Personen aus der Gemeinde Bingen, aber auch aus umliegenden Gemeinden haben die Informationsveranstaltung zum Windpark Bingen besucht. Ziel der Veranstaltung war es, die Anwesenden „auf den Stand der Dinge zu bringen“, wie es Bürgermeister Jochen Fetzer formulierte.

Zunächst zeigte Heiko Rüppel von der Firma Enercon anhand einer Präsentation welche Gutachten im vergangenen Jahr angefertigt wurden. Hierbei ging er unter anderem auf die Untersuchungen zu möglichen Schall- und Schattenemissionen sowie zu natur- und artenschutzfachlichen Auswirkungen ein. Aus heutiger Sicht stehen damit keine gravierenden Fakten einer Realisierung des Windparks entgegen. Um den Belangen des Naturparks Obere Donau Rechnung zu tragen ist noch ein sogenanntes Zonierungsverfahren erforderlich. Zur Wirtschaftlichkeit eines Windparks nördlich von Bingen und Hitzkofen äußerte sich Dr. Rüppel ebenfalls. Sie wird von vielen Faktoren beeinflusst, z.B. dem Preis der Anlage, den Infrastruktur- und Netzausbaukosten, den Ausgleichsmaßnahmen und den laufenden Kosten. Das wichtigste Kriterium ist jedoch eine ausreichende Windgeschwindigkeit. Diese wurde über die Dauer von einem Jahr gemessen und mit einem mittleren Wert von 5,7 bis 5,9 Meter pro Sekunde festgestellt. Gerade die von der Firma Enercon entwickelte Anlage E141 ist für Schwachwindstandorte konzipiert und für diese Windgeschwindigkeiten ausgelegt. Enercon sieht derzeit keine Probleme für einen wirtschaftlichen Betrieb.

Wichtig war die Feststellung, dass in den gezeigten Folien zwar 8 Windkraftstandorte eingezeichnet sind, aber tatsächlich nur 6 realisiert werden. Sicherheitshalber plant Enercon 2 zusätzliche Alternativstandorte, um reagieren zu können, falls einer der Vorzugsstandorte wegfallen sollte. Denn es kann durchaus sein, dass das Landratsamt Sigmaringen im Genehmigungsprozess noch Hinderungsgründe für den einen oder anderen Standort ausmacht, die man momentan noch nicht sieht. Die Firma Enercon möchte in der zweiten Jahreshälfte 2017 den Genehmigungsvorgang anstoßen und wenn möglich zum Jahresende zum Abschluss bringen. Sollte dies gelingen, so wäre ein Baubeginn im Jahr 2018 möglich. Voraussetzung ist allerdings, dass Enercon den Zuschlag im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens nach dem EEG-Gesetz erhält. Alle potentiellen Windpark-Bauer müssen sich bei der Bundesnetzagentur um diesen Zuschlag bewerben und erhalten diesen nur, wenn der angebotene Strompreis für die Einspeisung ins öffentliche Netz entsprechend günstig ist.

Die von Enercon vorgestellte Präsentation ist unter diesem Link auf der Internetseite www.windenergie-bingen.de abrufbar.

Anschließend hatten die Besucher Gelegenheit, sich mit ihren Fragen an die Fachleute zu wenden. Die Fragerunde wurde von Rolf Pfeifer von endura kommunal moderiert. Dabei standen unter anderem die Themen der Beeinflussung durch Schall und Schattenwurf nochmals im Mittelpunkt. Heiko Rüppel verdeutlichte, dass die vorliegenden Gutachten die Einhaltung der gesetzlich geforderten Grenzwerte deutlich unterschreiten. Außerdem werden die Gutachten durch eine Nachmessung der tatsächlichen Verhältnisse untermauert sobald der Windpark in Betrieb ist. Sollte sich dabei herausstellen, dass es wider Erwarten doch zu gesetzlich unzulässigen Beeinträchtigungen kommt, muss der Windkraftbetreiber mit entsprechenden Gegenmaßnahmen nachsteuern.

Auf eine Frage nach der Zukunft eines Windparks südlich der Gemeinde bestätigte Raimund Friderichs vom Fürstenhaus Hohenzollern, dass sich sein Unternehmen gegenüber der Gemeinde schriftlich verpflichtet hat, keine diesbezüglichen Aktivitäten durchzuführen, sofern der jetzt geplante Windpark kommt. Bürgermeister Fetzer ergänzte, dass die Gemeinde Bingen genau aus diesem Grund Wert darauf lege, dass im Gemeindeverwaltungsverband Sigmaringen am Flächennutzungsplan Windkraft weitergearbeitet werde. Mit dem Plan weist man Vorranggebiete für Windkraft aus und schließt gleichzeitig die übrigen Flächen für diesen Zweck aus. Momentan gibt es für den Flächennutzungsplan lediglich einen Aufstellungsbeschluss. Zwar könnten hiermit bereits Bauanträge anderer Grundstückseigentümer zurückgestellt werden, aber eben nicht ewig.

Mehrere Fragesteller erkundigten sich nach den Eingriffen im Wald bzw. deren Ausgleich. Jochen Kreidenweiss von der Firma WIND, einem von Enercon beauftragten Projektierer der Anlagen, zeigte die Dimensionen des Eingriffs auf. Pro Windrad müssen ca. 7.000 m² mit rund 300 Festmeter Holz gerodet werden. Nach dem Bau der Windräder werden hiervon wieder 2/3 aufgeforstet. Der Rest bleibt dauerhaft Schotterfläche. Der Eingriff wird 1:1 wieder ausgeglichen. Derzeit ist hierfür eine fürstliche Fläche im Gewann Ruckberg (Hornstein) vorgesehen. Die Kabel zur Ableitung des Stromes legt man unterirdisch bis zur Umspannstation in Laucherthal hinter dem Zollern-Werk.

Die Frage nach den Bedingungen einer Beteiligung an einem Bürgerwindpark konnte noch nicht beantwortet werden. Erst wenn feststeht, welche Rahmenbedingungen für den Windpark gelten (Einspeisevergütung, Anlagenpreis, sonstige Kosten etc.), wird sich die Gemeinde mit dem Thema beschäftigen, so der Bürgermeister. Vorher wäre es nicht verantwortlich, Angebote zu unterbreiten bzw. über eine Beteiligung durch die Gemeinde selbst nachzudenken, da das Risiko noch nicht abschätzbar ist.

Nach zwei Stunden schloss Bürgermeister Jochen Fetzer die Veranstaltung und bedankte sich bei den Besuchern für die rege Teilnahme am Austausch.