Windparkpläne bei Bingen: Standortprüfung beauftragt

Für den Windpark, der möglicherweise bei Bingen entstehen soll, sieht man sich nun nach alternativen Standorten um: Die Gemeinde Bingen, das Fürstenhaus Hohenzollern, die Interessengemeinschaft Lebenswertes Bingen und der Windkraftanlagenhersteller Enercon haben Ende Oktober eine Prüfung anderer möglicher Windpark-Standorte am nordöstlichen Rand der Gemeinde in Auftrag gegeben. Die Standortprüfung ist Resultat einer Bürgerdialogveranstaltung im Juli und mehrerer Gespräche mit allen Projektbeteiligten. Das Ergebnis der Prüfung soll Anfang 2016 vorliegen. Ein gemeinsames Aufsichtsgremium mit einem Moderator kontrolliert die Ergebnisse. Erst danach wird entschieden, ob und wo Windkraftwerke errichtet werden.

Mit dem Windpark würde der Klimaschutz in der rund 2.700 Einwohner zählenden Kommune einen großen Sprung nach vorne machen: Jede Anlage kann den Strombedarf von 2.000 Haushalten ökologisch decken. Da am südlichen Standort bis zu vier Anlagen in Betracht kommen und am nördlichen maximal sechs, könnte die Hohenzollerngemeinde bei einer Realisierung mehr Strom produzieren als sie verbraucht – und das auch noch CO2-neutral.

Alle Beteiligten an einen Tisch

Der Dialog mit der Bevölkerung bei der Standortsuche ist dem Bürgermeister Jochen Fetzer ein großes Anliegen: „Die Gemeinde möchte die Bürgerinnen und Bürger umfassend informieren und in den Prozess einbinden. Enercon und das Fürstenhaus sind uns entgegengekommen und stimmen der weiteren Standortprüfung zu. Nur gemeinsam können wir eine größtmögliche Akzeptanz erreichen.“

Nun prüft ein gemeinsames Gremium, dem ein Moderator, Vertreter der Interessengemeinschaft, die Gemeinde, das Unternehmen und das Fürstenhaus angehören, ob der alternative Standort im Nordosten Bingens für die Nutzung von Windenergie geeignet ist. Für ein ordnungsgemäßes Vorgehen sorge auch das abschließende Genehmigungsverfahren, dass das Vorgaben nach Baurecht, Naturschutz und Immissionsschutzrecht prüfe, so Fetzer.

Investor: Dialog auf Augenhöhe wichtig

Mit der erneuten Standortprüfung gehen die Gemeinde, das Fürstenhaus und die Firma Enercon einen neuen Weg, um die dezentrale Energieerzeugung auf der Schwäbischen Alb voranzubringen. Ursprünglich war eine Fläche am südwestlichen Rand des Gemarkungsgebiets der Gemeinde für einen Windpark mit bis zu vier Windkraftanlagen in Betracht gezogen worden. Dagegen regte sich Widerstand.

Das darauffolgende Vorgehen in der Gemeinde ist außergewöhnlich: Normalerweise gibt es keine Bürgerbeteiligung bei der Standortsuche. Investor, Grundstückseigentümer und die Kommune entscheiden darüber. In Bingen ist das nun anders, es erfolgt eine abgestimmte Suche. „Der Gemeinde ist es wichtig, alle Bürger bei dem Verfahren gleichermaßen zu beteiligen. Dieser Transparenzgedanke hat die Projektbeteiligten motiviert, die zweite Standortprüfung anzugehen“, so Bürgermeister Fetzer.

Zur Prüfung des nordöstlichen Standortes müssen ein artenschutzrechtliches Gutachten für rund 60.000 Euro in Auftrag gegeben und weitere genehmigungsrechtliche Fragen geklärt werden. In dem südwestlichen Gebiet könnte der Genehmigungsantrag recht schnell eingereicht werden, unter anderem auch deshalb, weil alle notwendigen Gutachten bereits vorliegen. Das hätte den Vorteil, eine feste Einspeisevergütung nach dem aktuellen Erneuerbaren-Energie-Gesetz (EEG) zu erhalten. Der nördliche Standort dagegen würde erst nach der nächsten Novelle des EEG in Betrieb gehen – die Windräder bekämen damit keine feste Einspeisevergütung mehr.

Gremium wertet Daten aus

Das in die Überlegungen neu aufgenommene nordöstliche Gebiet wird jetzt auf die technische und wirtschaftliche Machbarkeit sowie die Genehmigungsfähigkeit geprüft. Außerdem klärt das Gremium, ob die Tiefflugzone der Bundeswehr in der Gegend den Plänen entgegensteht. In den kommenden Tagen werden zudem Fachgutachter ernannt.

Um beide Standorte auf ihre wirtschaftliche Tauglichkeit zu untersuchen, hat die Firma Enercon bereits vor acht Wochen zwei LIDAR-Lasermessgeräte aufgestellt und in Betrieb genommen. Sie messen mittels Laser die Windgeschwindigkeiten in verschiedenen Höhen über dem Boden und liefern so Daten für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit. Die im Norden im Gewann Reibiswinkel und im Süden bei der Kaserne aufgestellten Windmessgeräte sind baugleich und können bereits in rund zwei Monaten erste belastbare Ergebnisse liefern, die Aufschluss über die Windgeschwindigkeiten – die so genannte Windhöffigkeit – abgeben.

Das weitere Vorgehen

Das weitere Vorgehen sieht so aus: Nach der Standortprüfung und -empfehlung steht die Standortentscheidung an. Danach folgt das Genehmigungsverfahren, durch das der Bauantrag für die Windräder gehen muss. Die Genehmigung umfasst immissionsschutzrechtliche Belange wie Lärmgutachten und eine Schattenwurfprognose, baurechtliche Fragen wie den Abstandsnachweis und Turbulenzgutachten sowie natur- und artenschutzrechtliche Prüfungen.

Die finanzielle Ausgestaltung der Investition ist noch offen: Enercon will eine Anlage selbst betreiben und die anderen abgeben. Denkbar sind Bürgergesellschaften, aber es werden auch andere Modelle wie der Verkauf von Anteilen an Investoren ins Auge gefasst. Noch steht das Projekt jedoch am Anfang, seine Umsetzung ist nicht gesichert.

Zum Hintergrund:

Der Gemeinderat von Bingen stimmte im Frühjahr 2015 in einem Grundsatzbeschluss einstimmig für den Plan des Fürstenhauses Hohenzollern und der Firma Enercon, einen Windpark auf der südwestlichen Gemeindegemarkung zu errichten. Im Juni 2015 erfolgte eine erste Bürgerinformationsveranstaltung. Auf der öffentlichen Vorstellung des Projektes wurden von Seiten der Bürger Sorgen, Ängste und Wünsche geäußert. Um die Diskussion möglichst zielorientiert und sachlich zu führen, beschloss die Gemeinde, eine weitere Bürgerinformationsveranstaltung mit Moderation durchzuführen, die im Juli stattfand. Die Ergebnisse dieser Veranstaltung und weitere Treffen bis Oktober mit den Projektbeteiligten  inklusive der Interessengemeinschaft Lebenswertes Bingen haben zu der jetzigen neuen Standortprüfung geführt.